Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich unter Berücksichtigung Ihre Angaben gern beantworten werde. Vorab möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass im Rahmen dieser Plattform lediglich eine erste rechtliche Einschätzung möglich ist. Die rechtliche Beurteilung kann sich insbesondere durch das Hinzufügen oder Weglassen von Informationen u. U. noch erheblich verändern.
Der sogenannte Bemessungszeitraum für die Berechnung des Arbeitslosengeldes (ALG I) ist in § 130 SGB III
geregelt und beträgt in der Regel 12 Monate und nur in Ausnahmefällen maximal 24 Monate (§ 132 Abs. 1 SGB III
). Insoweit ist die Aussage der Arbeitsagentur bedingt zutreffend. Allerdings scheint es, als ob von der Arbeitsagentur der für Sie einschlägige § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III
"übersehen" wurde, der sich ausdrücklich auf Teilzeit in der Elternzeit bezieht.
Nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III
bleiben die Zeiten, in denen Erziehungsgeld bezogen wurde sowie Zeiten, in denen wegen der Betreuung eines Kindes unter 3 Jahren die Arbeitszeit auf Teilzeit reduziert wurde, außer Betracht. Das bedeutet, dass der Bemessungszeitraum um diese Zeiten erweitert wird.
Dementsprechend sind bei Ihnen die letzten 12 Monate vor der Elternzeit als Bemessungszeitraum zugrunde zu legen. Nach einem Urteil des Sozialgerichts Berlin wird zudem auch noch der Mutterschutz als Aufschubzeit berücksichtigt, so dass danach die letzten 12 Monate vor Beginn des Mutterschutzes als Bemessungszeitraum herangezogen werden müssten, also der Zeitraum von Juli 2006 bis Juli 2007.
Das ALG I beträgt nach § 129 Nr. 1 SGB III
beträgt für Sie 67% des pauschalierten Nettoentgelts in dem Bemessungszeitraum. Das pauschalierte Nettoentgelt kann dabei u.U. etwas geringer ausfallen, als das damals tatsächlich ausgezahlte Nettoeinkommen. Auf jeden Fall wird der Betrag aber wohl deutlich über 400,00 Euro liegen.
Die von der Arbeitsagentur berechneten 400,00 Euro können daher nicht zutreffend sein. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Sie derzeit dem Arbeitsmarkt mit "nur" 30 Stunden zur Verfügung stehen - also noch nicht in Vollzeit - und es daher zu einer Verringerung des ALG nach § 131 Abs. 5 SGB III
kommen könnte, dürfte der Anspruch auf ALG I immer noch deutlich über 400,00 Euro liegen.
Sie sollten daher unbedingt gegen den Arbeitslosengeld-Bescheid Widerspruch einlegen und diesen damit begründen, dass nicht die letzten 12 Monate Elternteilzeit sondern die letzten 12 Monate vor Eintritt in den Mutterschutz der richtige Bemessungszeitraum ist. Sie sollten auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Zeiten der Elternteilzeit nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III
von Gesetzes wegen außer Betracht bleiben müssen und daher nicht als Grundlage für die Berechnung des ALG I herangezogen werden können. Eine konkrete "Neuberechnung" des Arbeitslosengeldes wird von Ihnen nicht verlangt.
Wichtig ist, dass Sie den Widerspruch fristgerecht einlegen. Die Widerspruchsfrist wird in der Rechtsbehelfsbelehrung, die am Ende des Bescheids stehen sollte, genannt. Die Widerspruchsfrist beträgt 1 Monat ab Bekanntgabe des Bescheids. Bei welcher Stelle der Widerspruch einzulegen ist, muss ebenfalls in der Rechtsbehelfsbelehrung angegeben werden. Damit Sie ggf. die rechtzeitige Einlegung des Widerspruchs nachweisen können, ist es ratsam, den Widerspruch als Einschreiben-Rückschein an die Arbeitsagentur zu schicken. Des Weiteren sollten - wenn nicht schon geschehen - die Einkommensnachweise für den Bemessungszeitraum Juli 2006 bis Juli/August 2007 vorsorglich in Kopie beigefügt werden.
Sollte der Widerspruch keinen Erfolg haben, kann gegen den dann zu erlassenden Widerspruchsbescheid Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden. Sollte tatsächlich die Klage notwendig werden, sollten Sie unbedingt anwaltliche Hilfe suchen und sich vor dem Sozialgericht anwaltlich vertreten lassen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort erst einmal weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
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Diese Antwort ist vom 27.11.2009 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Ergänzung vom Anwalt
28.11.2009 | 00:09
Leider hat sich bei der Angabe der Norm zur Verlängerung des Bemessungszeitraums von 12 auf ausnahmsweise 24 Monaten der Fehlerteufel eingeschlichen.
Richtig muss es heißen: Der sogenannte Bemessungszeitraum für die Berechnung des Arbeitslosengeldes (ALG I) ist in § 130 SGB III
geregelt und beträgt in der Regel 12 Monate und nur in Ausnahmefällen maximal 24 Monate (§ 130 Abs. 3 SGB III
).
Der von mir versehentlich zitierte § 132 Abs. 1 SGB III
bezieht sich auf die fiktive Berechnung des Arbeitsentgelts. Dieser Fall kommt für Sie aber nicht in Betracht.
Ich bitte, den Schreibfehler zu entschuldigen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin