Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die vertraglich vereinbarte Arbeitzeit und die faktisch geleistete Arbeitszeit können weit auseinanderliegen, wie in Ihrem Fall.
Rechtlich gesehen gilt, dass eine einvernehmliche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte dauerhafte Abweichung eine stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrags darstellt.
Abzuleiten ist dies aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Az.: 8 Sa 2046/05
). Danach sah der Tarifvertrag der Klägerin ursprünglich 28,5 Stunden pro Woche vor. Tatsächlich arbeitete sie aber über ein Jahr wesentlich länger. Nachdem sie der Arbeitgeber wieder 28,5 Stunden beschäftigen wollte, klagte die Arbeitnehmerin und verlangte auch weiterhin die Beschäftigung und Bezahlung als Vollzeitkraft. Das Gericht gab der Klage statt.
Es lag eine stillschweigende Neuregelung des Arbeitsvertrags.
So liegt es nach Ihren Schilderungen auch in Ihrem Fall.
Ruft der Arbeitgeber ständig und über einen längeren Zeitraum eine erhöhte Arbeitszeit ab und der Mitarbeiter leistet diese, handelt es sich nicht um Überstunden, sondern um die tatsächlich geschuldete vertragliche Leistung. Entscheidend ist dann nicht der Text im Arbeitsvertrag, sondern der wirkliche Wille von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der im tatsächlich „gelebten" Rechtsverhältnis zum Ausdruck kommt. Es muss von einer stillschweigenden Neuregelung des Arbeitsvertrags ausgegangen werden, wobei sich der Umfang der stillschweigend vereinbarten Arbeitszeit aus den praktizierten Arbeitszeiten der vergangenen Jahre ergibt.
Weiter schließe ich aus Ihren Ausführungen, dass für Ihr Arbeitsverhältnis ein Manteltarifvertrag für den Einzelhandel gilt. Diese enthalten oftmals noch weitere für Sie günstige Bestimmungen über die Anpassung der regelmäßigen Arbeitszeit. Sie haben das Recht, für das Arbeitsverhältnis geltende Tarifverträge bei Ihrem Arbeitgeber einzusehen. Diese müssen im Betrieb aushängen.
So heißt es zB in dem MTV Einzelhandel Brandenburg, §. 7 Teilzeitbeschäftigte, die auf Veranlassung des Arbeitgebers in der Zeit vom 1. Januar bis 30. September eines Kalenderjahres in einem Zeitraum von 26 Kalenderwochen durchschnittlich 25 Prozent oder mehr über die einzelver-traglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten, haben auf ihren Wunsch Anspruch auf einen die tatsächliche Arbeitszeit ausweisenden Arbeitsvertrag. :
Mein abschließender Rat ist daher, von Ihrem Arbeitgeber die schriftlich niedergelegte Anpassung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die tatsächliche durchschnittliche Arbeitszeit des letzten Jahres zu fordern, auch für die Vergangenheit. Sie sollten Ihre Arbeitskraft ausdrücklich und schriftlich für diese Wochenstunden anbieten und eine entsprechende Einteilung im Dienstplan fordern.
Dieser Anspruch kann auch vor dem zuständigen Arbeitsgericht eingeklagt werden.
Sie sollten damit nicht allzu lange warten, damit nicht durch die "Rückstufung" auf 10 Stunden wieder eine stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrags eintritt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen