Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ein Sohn aus einer früheren Beziehung oder Ehe Ihrer Ehefrau, also Ihr Stiefsohn, hat ein Zeugnisverweigerungsrecht und muss keine Aussage machen. Davon sollte er aus meiner Sicht Gebrauch machen. Durch eine Aussage könnte er alles nur noch schlimmer machen, selbst wenn er Sie entlasten wollte. Durch Nervosität in der Vernehmungssituation könnte er auf die Ermittlungsbeamten eingeschüchtert oder unter Druck gesetzt wirken. Außerdem könnte er durch unüberlegte Äußerungen in Unkenntnis der juristischen Konsequenz des Gesagten den Verdacht sogar erhärten (z.B. durch Sätze wie: "Aber er hat mich doch gar nicht so schlimm gewürgt.").
Stoppen können Sie das Verfahren nicht. Es handelt sich um Offizialdelikte, die im Raum stehen. Das bedeutet, dass der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, so dass die Staatsanwaltschaft aufgrund des Anfangsverdachts ermitteln muss und erst nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet, ob Anklage gegen Sie erhoben werden wird oder ob das Verfahren eingestellt wird. Daher ändert es überhaupt nichts, ob die Strafanzeige zurückgenommen wird oder nicht.
Sie selbst sollten sich erst äußern, wenn Sie den genauen Akteninhalt kennen und wissen, wie sich der Ihnen zur Last gelegte Sachverhalt aus Sicht der Ermittlungsbehörden darstellt, was unter anderem von den Angaben in der Strafanzeige aber auch von eventuell vorhandenen Aussagen Dritter, etwa des erwähnten Lehrers abhängt.
Denkbar wäre, dass sich Ihre Schilderung dort auch identisch wiederfindet, was ggf. zu einer Verfahrenseinstellung führen könnte. Denkbar wäre auch ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Köperverletzung, wenn Ihre Situation im Affekt gehandelt zu haben, angemessen berücksichtigt würde. Andernfalls käme es zum Vorwurf einer vorsätzlichen Körperverletzung, da die Verletzungserfolge wie rote Striemen und blaue Flecken nun einmal vorhanden waren. Dies alles würde bei einem Ersttäter im Falle einer Verurteilung vermutlich mit einer Geldstrafe geahndet werden.
Problematisch wäre es, wenn die Staatsanwaltschaft im schlimmsten Fall den blauen Fleck am Hals als Würgemal bzw. als Zeichen roher Misshandlung bewerten würde. Dann würde die Anklage auf Misshandlung Schutzbefohlener lauten. Dies dürfte nicht mehr mit Geldstrafe geahndet werden. Vielmehr sieht der Gesetzgeber in § 225 StGB
zwingend Freiheitsstrafe vor, die bei einem Ersttäter aber sicherlich zur Bewährung ausgesetzt würde.
Aber Sie sehen deutlich, dass Sie diesen Vorgang nicht unterschätzen sollten; es kann sich als "harmloses" Verfahren erweisen, muss es aber nicht.
Um hier Sicherheit zu gelangen, sollten Sie einen Rechtsanwalt beauftragen, eine Akteneinsicht in die Ermittlungsakte zu nehmen und Sie anschließend über das weitere Vorgehen zu beraten. Das Akteneinsichtnahmerecht haben nicht Sie selbst sondern nur ein Anwalt. Sie sollten keine Angaben machen, solange Ihnen der Akteninhalt nicht bekannt ist.
Gern können Sie auch mich mit der Akteneinsicht beauftragen. Ihr hier bereits getätigter Einsatz würde dann auf die weiter anfallenden Kosten angerechnet werden. Ich würde die Akte dann kurzfristig anfordern. Sollten Sie hieran Interesse haben, können Sie gern Kontakt per Email/Homepage mit mir aufnehmen. Nach erfolgter Akteneinsicht können wir besprechen, ob bzw. wie Sie sich gegenüber den Ermittlungsbehörden einlassen sollten.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 15.03.2014 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Vielen Dank für die ausführliche und verständlich formulierte Antwort.
Wenn mein Sohn die Aussage verweigern soll, hat das keine Konsequenzen für ihn? Muss man dies schriftlich mitteilen oder einfach nicht hingehen? Wenn er bei der Anzeige zu viel oder etwas übertrieben die Situation geschildert hat, gilt dann diese Aussage als endgültig, weil eben die Aussage als Zeuge verweigert wird?
Wie steht es denn mit dem Arbeitgeber? In welchem Fall (abhängig vom Strafmaß?) wird dieser in Kenntnis gesetzt und was für Konsequenzen kann das für mich haben? Auch Entlassung?
Danke nochmal.
Sehr geehrter Fragesteller,
da ein Zeuge grundsätzlich verpflichtet ist eine Aussage zu machen, sollte er schon mitteilen, dass er vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Ich empfehle ihm, dies durch ein kurzes Schreiben zu tun. Etwaig vorgenommene Schilderungen müssen nicht endgültig sein. Sollten Sie tatsächlich angeklagt werden, könnte er in der Hauptverhandlung immer noch eine Aussage machen.
Grundsätzlich wird ein Arbeitgeber nicht irgendwie "automatisch" informiert, wenn ein Arbeitnehmer strafrechtlich verurteilt wird. Auch dürfte eine Kenntniserlangung nicht arbeitsrechtlich gegen Sie verwendet werden und als Kündigungsgrund angeführt werden. Etwas anderes gilt allenfalls, wenn die Tätlichkeit relevant für die ausgeübte Arbeit wäre, etwa weil Sie Erzieher sind o.ä.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Liedtke
Rechtsanwalt