Sehr geehrter Ratsuchender,
anhand Ihrer Schilderungen stelle ich Ihnen die Rechtslage wie folgt dar:
Bei den Ehrverletzungsdelikten der üblen Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung, Art. 173
, 174
, 177 StGB
, handelt es sich um Antragsdelikte. Sie werden also nur auf Antrag der betroffenen Person - und nicht von Amts wegen (Offizialdelikte) - verfolgt.
Das Antragsrecht ist auf drei Monate befristet, Art. 31 StGB
. Danach erlischt es. Nach Art. 31 Satz 2 StGB
beginnt die Frist mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der
Täter bekannt wird. Dies war nach Ihren Angaben im Zeitpunkt B (Akteneinsicht) der Fall.
Die Erklärung, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger zu beteiligen, ist dem Strafantrag nach Art. 118 S. 2 StPO
gleichgestellt. Ihre Klageerweiterung im Hinblick auf die Verleumdung und üble Nachrede lag mehr als drei Monate nach dem Zeitpunkt der Kenntnis.
Ohne fristgerechten Antrag sind die Taten nicht strafbar.
Auf eine Sistierung kommt es nicht an. Zunächst ergibt sich aus Ihren Angaben lediglich, dass ein entsprechender Antrag gestellt worden ist, nicht, ob diesem nachgegangen wurde. Zudem hat das ursprüngliche Verfahren keinen unmittelbaren Bezug zu dem Antragsrecht im Hinblick auf die anderen Delikte.
Aus dem selben Grund hat die Richterablehnung keinen Einfluss auf die Antragsfrist.
Es hätte fristgerecht Strafantrag gestellt werden können und müssen. Dieser hätte dann zugleich als Erklärung der Privatklägerschaft gegolten, § 118 S. 2 StPO
.
Beim Grundsatz "venire contra factum proprium" handelt es sich um einen Rechtssatz, der im Zivilrecht unter Gleichgestellten gilt. Im Strafrecht ist er nicht anwendbar. Da zudem kein direkter Zusammenhang zwischen dem Sistierungsantrag und der Anlehnung einerseits und dem weiteren Strafantrag bzw. den weiteren Strafanträgen andererseits besteht, ist er auch nicht einschlägig.
Eine andere, Erfolg versprechende Möglichkeit, die Fristversäumnis "rückgängig zu machen", ist auf der Grundlage Ihrer Darstellung nicht ersichtlich. Schon aus Kostengründen sollte die Berufungsdurchführung überdacht werden.
Bitte beachten Sie, dass diese Ausführungen auf Ihren Angaben beruhen und eine erste rechtliche Einschätzung darstellen. Sämtliche zitierten Vorschriften sind Schweizer Bundesrecht. Eventuelle kantonale Besonderheiten (verbindlich für alle Kantone ist die StPO erst am 01.01.2011 in Kraft getreten) sind nicht berücksichtigt.
Antwort
vonRechtsanwalt Christoph M. Huppertz
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Auf eine Sistierung kommt es nicht an. Zunächst ergibt sich aus Ihren Angaben lediglich, dass ein entsprechender Antrag gestellt worden ist, nicht, ob diesem nachgegangen wurde.
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Diesem wurde entsprochen. Das Verfahren wurde sistiert.
Zudem hat das ursprüngliche Verfahren keinen unmittelbaren Bezug zu dem Antragsrecht im Hinblick auf die anderen Delikte.
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Der Antrag wäre immerhin klageerweiternd. Der Beklagte hat einen diffamierenden Brief verfasst, der sowohl an das Gericht als auch an diverse externe Empfänger ging. Akteneinsichtnahme erfolgte erst nach Sistierungsantrag.
Besten Dank.
Sehr geehrter Ratsuchender,
auch unter Einbeziehung Ihrer weiteren Angaben ändert sich an der Einschätzung zur Rechtslage nichts.
Die Sistierung betraf ausschließlich das Verfahren wegen Beschimpfung. Durch die Sistierung waren Sie nicht gehindert, weitere Strafanträge zu stellen. Diese hätten nach Art. 118 S. 2 StPO
automatisch als Erklärung der erneuten Privatklägerschaft gegolten und damit zu einer Klageerweiterung geführt.
Die Sistierung des laufenden Verfahrens hemmt/unterbricht nicht die Antragsfrist im Hinblick auf weitere Delikte.
Ergänzend sei die Bemerkung erlaubt, dass Ihre Argumentation, ab Sisitierungantrag seien keine weiteren Maßnahmen widerspruchsfrei möglich, letztlich durch Ihr eigenes Verhalten widerlegt wird. Sie haben nach Ihrer Darlegung nach dem Sistierungsantrag sowohl ein Ablehnungsgesuch vorgebracht (1 Tag später) als auch Akteneinsicht genommen (2 Tage später).
Ab Kenntnis des Akteninhalts lief die Antragsfrist.
Aufgrund des Fristversäumnisses kommt es auf die materielle Rechtslage nicht (mehr) an. Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass eine Verleumdung und eine üble Nachrede verwirklicht worden sind.
Eine Strafbarkeit ist gleichwohl ausgeschlossen, Art. 30 StGB
.