Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
Entsprechend Ihrer Sachverhaltsdarstellung werde ich Ihre Fragen der Reihefolge nach Beantworten. Meiner Bearbeitung liegt die Annahme zugrunde, dass Frau B Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB
ist.
1. Annahme
1.1 Lediglich im Zuge eines Handelskaufes obliegt es den Parteien, die eingehende Ware sofort zu prüfen und eventuelle Unstimmigkeiten zu melden, § 377 HGB
. Frau B hätte somit nicht sofort erkennen müssen, dass die Reifen nicht neu sind. Dies kann man von ihr als Verbraucherin nicht verlangen.
1.2 Diese Frage ist schon interessanter, immerhin war Frau B ab jetzt nicht mehr gutgläubig bzgl. der Mangelfreiheit der Sache. Sie hat aber den Mangel zeitnah dem Verkäufer angezeigt und ist daher auf der sicheren Seite. Ist denn Frau B auch mit den Reifen gefahren?
2. Umtausch
2.1 Im Rahmen des Mangelgewährleistungsrechts im Kaufrecht steht dem Käufer primär aus § 437 Nr. 1 BGB
das Recht der Nacherfüllung nach § 439 BGB
zu. Da die Reifen nicht wie verabredet neu sind, entsprechen sie nicht der vereinbarten Beschaffenheit i.S.d § 434 Abs 1. S.1 BGB
, daher liegt ein Sachmangel vor. Dieser Sachmangel ist aus § 439 BGB
im Wege der Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache zu beseitigen. Da der Mangel hier wohl nicht beseitigt werden kann, sind neue Reifen zu liefern. Aus § 439 Abs. 4 BGB
kann der Verkäufer dann Rückgabe der alten Reifen verlangen.
2.2 Für die Montagekosten des Ausbauen der erstgelieferten Reifen und das Aufziehen der neuen Reifen, die letztendlich der Verkäufer zu verantworten hat, kann Frau B zusätzlich Schadensersatz neben der Nacherfüllung/Leistung verlangen, § 280 Abs. 1 BGB
. Für die erste Montage der Reifen kann Frau B keinen Ersatz verlangen.
3. Preisnachlass
3.1. Grundsätzlich schließen sich Nacherfüllung und Minderung aus. Es wäre also nur sinnvoll über eine Minderung nachzudenken, wenn Frau B die alten Reifen behält.
4. Rückabwicklung
4.1 Vom Vertrag zurücktreten wird Frau B nur können, wenn dem Verkäufer die Nacherfüllung unmöglich geworden ist. Dies ist bei einer Gattungsschuld wie Autoreifen unwahrscheinlich.
Zweifelsfrei liegt hier ein Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312 b BGB
vor. Dieser kann i.S.d. § 355 BGB
ohne Gründe widerrufen innerhalb von 14 Tagen werden. Nach § 357 BGB
sind dann die erstgekauften Reifen zurückzugeben. Da die Reifen aber schon montiert wurden und vielleicht auch schon damit gefahren wurde, ist Wertersatz i.S.d. § 357 Abs. 3 N.1 BGB
in dem Maße zu leisten, welches über ein Prüfen der Sache hinausgeht. Nach Nr. 2 muss Frau B darauf aber vorher hingewiesen worden sein.
4.2 Diese Frage dürfte bereits in 2.2 beantwortet worden sein.
4.3 Die Frist aus § 355 Abs. 2 BGB
beträgt 14 Tage für den Widerruf. Das Recht die Nacherfüllung zu fordern erlischt im 2 Jahren, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB
. nach § 476 BGB
ist nach Ablauf von 6 Monaten ab Gefahrübergang aber Frau B berufen den Sachmangel nachzuweisen.
5. Gewährleistung
5.1 Die Beantwortung hängt davon ab, wie Frau B vorgehen wird. Aber auch bei nicht neuen Reifen besteht grundsätzlich ein Gewährleistungsanspruch. Besser ist aber sicher, sich neue Reifen liefern zu lassen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Alex Park
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Sehr geehrter Herr Park,
vielen Dank für ihre schnelle und ausführliche Antwort und ihre persönliche Einschätzung bei Punkt 5.1. Ihre Annahme ist korrekt, Frau B ist Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB
.
Ich war fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Frau B die 70€ geltend machen kann. Ihre Erläuterung hat mich überzeugt, dass sie nicht die 70€ zurückverlangen kann, da diese unabhängig von der Beschaffenheit der Reifen fällig gewesen wären, aber dafür nach § 439 BGB Abs. 2
die zur Beseitung des Mangels erforderlichen Aufwendungen. Inwiefern könnte sich der Händler H auf den § 439 BGB Abs. 3
berufen und den Austausch verweigern, da nach seiner Sicht die Aufwendungen (De-Montage, Auswuchten, Montage) für den Austausch unverhältnismäßig sind im Vergleich zum Wert der Reifen in Höhe von 240€?
zu 1.2.: Ja, Frau B ist mit den Reifen gefahren, die Abnutzung sollte gering sein, da Frau B nicht mit dem Auto zur Arbeit pendelt, etc.
Vielen herzlichen Dank nochmals für ihr Engagement!
Sehr geehrter Herr Nachfrager,
nein, den ersten Einbau der Reifen wird Frau B nicht erstattet bekommen, da sich der Verkäufer dazu ja nicht verpflichtet hat.
Ob sich der Verkäufer auf den § 439 Nr.3 BGB
berufen kann, ist indes fraglich. Die unverhältnismäßigen Kosten beziehen sich nur auf die Reifen. Da diese wohl einfach zu besorgen sind und nicht mehr kosten werden, als die, die Frau B schon bestellt hat, dürfte diese Einrede des Verkäufers scheitern.
Die Aufwendungen der Nacherfüllung, also das Auswuchten, die Demontsge und Montage der neuen Reifen hat der Verkäufer ja aus § 439 Abs. 2 BGB
zu tragen. Hier kann er sich nicht auf zu hohe Kosten berufen, diese muss er aufgrund seiner mangelhaften Erstleistung in jedem Fall ersetzen.
Eine Abnutzung der Reifen würde Frau B i.S.d. §§ 439 Abs. 4
i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB
wohl ersetzen müssen. Allerdings, da sie Verbraucherin ist, sind die durch den Gebrauch der Reifen gezogenen Nutzungen nach § 474 Abs. 2 BGB
nicht herauszugeben. Ich denke daher, das es gut vertretbar ist davon auszugehen, dass der Gebrauch der Reifen keine finanziellen Konsequenzen für Frau B hat.
Ich hoffe Ihnen geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Alex Park, Rechtsanwalt