Sehr geehrter Fragesteller,
ich bedanke mich für Ihre online-Anfrage, zu der ich wie folgt Stellung nehme:
Nach § 81 Abs. 2 VVG
ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt.
Im Falle der Übermüdung am Steuer bzw. dem sog. Sekundenschlaf wird von der Rechtsprechung in der Regel eine grobe Fahrlässigkeit dann angenommen, wenn sich der Versicherungsnehmer über drohende Anzeichen einer Übermüdung hinwegsetzt (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1993, 102
). Weiterhin hat der BGH mit Urteil vom 31.02.2007 (Az.: I ZR 166/04
) festgestellt, dass der Vorwurf eines leichtfertigen Handelns nur dann begründet ist, wenn sich der Fahrer bewusst über von ihm erkannte Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat. Bestanden keine Anzeichen einer Übermüdung, ist im Ergebnis eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen.
Überdies existiert nach dem Urteil des OLG Koblenz vom 12.01.2007 (SP 2007, 439) kein Erfahrungssatz dahingehend, dass jemand ohne vorherige Ermüdungsanzeichen am Steuer einschläft. Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So vertreten beispielsweise das OLG Hamm (VersR 1998, 1276
) und das OLG Frankfurt (NZV 1993, 32
) die Auffassung, dass einem Einnicken am Steuer stets unübersehbare Anzeichen vorausgehen, deren Nichtbeachtung in der Regel grob fahrlässig sei. Sie werden gegenüber Ihrer Versicherung somit jedenfalls darlegen müssen, dass keine Anzeichen einer Übermüdung bestanden. Insofern kommt etwa der Nachweis eines vorherigen, ausreichenden Schlafs in Betracht oder z.B. der Nachweis, dass Sie erst kurz am Steuer Ihres Wagens saßen. Abgesehen hiervon werden Sie sich gegenüber dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ggf. mit Erfolg auf eine bis zum Unfallzeitpunkt unerkannte Schlafapnoe berufen können. Hierbei handelt es sich um eine Krankheit, bei der während des Schlafes kurze Atemstillstände einsetzen. Dieser Zustand ist, wenn er zum ersten Mal auftritt überraschend und nicht vorhersehbar. Für das Vorliegen der Schlafapnoe sind Sie beweispflichtig, so dass Sie hierüber von Ihren Arzt eine entsprechende Bestätigung vorlegen sollten.
Ich hoffe, Ihnen eine hilfreiche erste Orientierung gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
J. Petry-Berger
Rechtsanwältin
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Diese Antwort ist vom 28.11.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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