Änderung eines bestandskräftig gewordenen Grundlagenbescheides
| 23.01.2014 17:34
| Preis:
***,00 € |
Zusammenfassung: Änderung von Grundlagenbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen
VORBEMERKUNG
Steuerpflichtiger erzielte im Kalenderjahr 2008 sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, als auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus Beteiligungen aus Gewerbebetrieb. Bei den beiden letztgenannten handelt es um einen Geschäftsbetrieb, der aus umsatzsteuerrechtlichen Gründen einen Teil seiner Einnahmen als Einzelunternehmer (Berufsbetreuer) ohne Berechnung der Umsatzsteuer (Kleinunternehmerregelung) erzielt, die übrigen Einnahmen (IT-Techniker u. a.) werden von einer Kommanditgesellschaft (Gesellschafter sind Steuerpflichtiger und Ehefrau) erzielt. Bei der Gesellschaft laufen sämtliche Ausgaben (Büro, Fahrzeuge etc.) auf, die auch vom Einzelunternehmer zur Erzielung seiner Einnahmen notwendig sind. (Vorsteuer wird durch innerbetriebliche Leistungsverrechung um nicht abziehbare Vorsteuer bereinigt)
SACHVERHALT
Ein am 06.07.10 erlassener Einkommensteuerbescheid für 2008 mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2.500 EUR und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 30.000 EUR wurde mit Bescheid vom 16.02.11 (Aufhebung Vorbehalt Nachprüfung) bestandskräftig. In Unkenntnis über dessen Bedeutung und deren Folgen wurde kein Einspruch eingelegt.
Zur Vorlage bei der Elterngeldstelle wurde ein nicht auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen basierender Einkommensteuerbescheid benötigt (mittlerweile stellte sich heraus, dass diese Aufforderung unberechtigt war). Das FA teilte auf telefonische Nachfrage mit, von deren Seiten würde keine Steuererklärung für 2008 mehr erwartet, die Angelegenheit sei (sofern nicht wissentlich ein höheres Einkommen zu erklären sei) erledigt.
Wegen der Aufforderung der Elterngeldstelle wurde eine Steuererklärung abgegeben und folgende Einkünfte erklärt: Gewinn aus Gewerbebetrieb 9.105 EUR, Verlust aus Beteiligung Gewerbebetrieb -5.451 EUR, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 30.000 EUR. Einer Änderung des bestandskräftig gewordenen Steuerbescheides wurde erwartet, da sich nach Abzug von bislang unberücksichtigt gebliebenen Sonderausgaben ein um 60 EUR höheres zu versteuerndes Einkommen ergibt.
Am 20.01.14 ist ein geänderter Einkommensteuerbescheid ergangen, aus dem sich eine Steuernachzahlung in Höhe von 3.332 EUR Einkommensteuer zzgl. 742 EUR Zinsen hierzu errechnet. Als Besteuerungsgrundlagen liegen zugrunde: Einkünfte aus Gewerbebetrieb 9.105 EUR (lt. Steuererklärung), Einkünfte aus Beteiligung Gewerbebetrieb 5.000 EUR (anstelle der erklärten Verluste in Höhe von 5.451), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 30.000 EUR (lt. Steuererklärung).
Auf persönliche Vorsprache beim FA ergab sich folgender Sachverhalt: Die in der Steuererklärung angegebenen Verluste aus Beteiligung Gewerbebetrieb können nicht berücksichtigt werden, da bereits ein Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) vom 16.11.10 ergangen ist der mit Bescheid vom 13.07.12 (Aufhebung Vorbehalt Nachprüfung) bestandskräftig geworden ist, gegen den ebenfalls kein Einspruch eingelegt wurde. Zwar hätte seinerzeit daraufhin von Amts wegen der Einkommensteuerbescheid berichtigt werden müssen, was jedoch unterblieben war.
Die freundlichen Mitarbeiter beim FA rieten mir dazu, einen sachkundigen Steuerberater aufzusuchen. Bei entsprechender Kenntnis der Abgabenordnung könne dieser einen Einspruch formulieren, wonach der bisher unberücksichtigt gebliebene Grundlagenbescheid im Hinblick auf den sich anders darstellenden Tatsachen (Verlust 5.451 EUR anstelle geschätztem Gewinn 5.000 EUR) auch weiterhin unberücksichtigt bleiben müsse.
Eine telefonische Nachfrage bei einem Steuerberater ergab, dass dies ausgeschlossen sei. Vielmehr könne das FA ohne Einhaltung einer Frist jederzeit diesen offensichtlichen Fehler berichtigen.
In einem heute geführten gemeinsamen Gespräch mit mehreren Mitarbeitern des Finanzamtes wurden noch die Vorschriften des
§173 Abs. 1 Nr. 2 AO sowie
§177 AO Abs. 1 erörtert, jedoch beide im hiesigen Fall nicht für anwendbar gehalten, da der durch Einreichung der Einkommensteuererklärung geänderte Einkommensteuerbescheid nicht in einem hierfür notwendigen Zusammenhang mit dem unabänderbaren Grundlagenbescheid stehe, welcher durch Einreichung der Feststellungserklärung nicht mehr geändert werden kann. Die Tatsache „Änderung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen" erfolge jeweils getrennt für Einkommensteuerbescheid und Grundlagenbescheid. Zwar ergebe sich eine Änderung des Einkommenssteuerbescheides zuungunsten des Steuerpflichtigen, dies ermöglicht jedoch nicht die Änderung des Grundlagenbescheides da diese Änderung für sich betrachtet zugunsten des Steuerpflichtigen ausfiele.
FRAGESTELLUNG:
Das Problem besteht im Kern aus dem bestandskräftig gewordenen und bisher unberücksichtigt gebliebenem Grundlagenbescheid mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen, der jetzt nicht mehr auf die erklärten Verluste hin geändert werden oder zumindest weiterhin unberücksichtigt bleiben kann.
Der Einkommensteuerbescheid vom 20.01.14 wird wegen eines Fehlers von Amts wegen in ca. 3 Wochen ohnehin noch einmal geändert. Der Sachbearbeiter wartet jetzt noch darauf, ob es mir gelingt, eine Änderung des Grundlagenbescheides zu erwirken auf den er keinerlei Einfluss hat.
Inwieweit sind folgende Lösungsansätze anwendbar?
[1]
§173 Abs. 1 Nr. 1 AO (Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden wg. neuer Tatsachen oder Beweismittel): Änderung Einkommensteuerbescheid wegen nachträglich bekannt gewordener neuer Tatsachen (eingereichte Steuererklärung) bei unbeachtlichem groben Verschulden, da die Tatsachen in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen stehen, die zu einer höheren Steuer stehen.
- Ist eine verspätet eingereichte Steuererklärung eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache?
- Die verspätet eingereichte Steuererklärung stellt wohl ein grobes Verschulden dar?
- Ist der in der Vorbemerkung geschilderte Sachverhalt der Verflechtung beider Unternehmen (Einzelunternehmer erzielt mit Aufwendungen der Gesellschaft seine Erlöse) ein oben geschilderter unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang?
[2]
§177 AO Abs. 1 (Berichtigung von materiellen Fehlern):
Die Voraussetzungen für die Änderung des Einkommensteuerbescheides liegen vor (dieser wurde ja geändert). Reicht die Änderung (erklärte Einkünfte und Verluste) „soweit", dass auch der materielle Fehler der falsch geschätzten Besteuerungsgrundlagen berichtigt werden kann?
- Ist eine „falsche" Steuerschätzung ein materieller Fehler?
[3] Gibt es irgendwelche anderen Möglichkeiten (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, unzumutbare Härte, Widerruf der nach Treu und Glauben erstellten Einkommensteuererklärung in Erwartung einer geringen Steuernachzahlung) diese Steuernachzahlung (die eine Insolvenz unseres Unternehmens zur Folge hätte) zu vermeiden?