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Diese Antwort ist vom 20.02.2011 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für die Anfrage. Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür angedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Tatsachen kann die Beurteilung Ihres Anliegens völlig anders ausfallen. Auf Grundlage Ihrer Angaben beantworte ich die Fragen weiter wie folgt:
1)
Ab dem 1. Januar 2011 ist der neue Mindestlohn-Tarifvertrag für die Elektrohandwerke allgemeinverbindlich.
Die neue Mindestlohnregelung schließt nahtlos an den zum 31. Dezember 2010 auslaufenden allgemeinverbindlichen Vorgänger-Tarifvertrag an. Die Mindeststundenlöhne in den Elektrohandwerken betragen ab 1. Januar 2011 8,40 Euro (neue Bundesländer einschließlich Berlin) und 9,70 Euro (alte Bundesländer).
Die Allgemeinverbindlicherklärung des neuen Mindestlohn-Tarifvertrages ist bis zum 31. Dezember 2013 befristet.
2)
Die allgemeinverbindlichen Regelungen betreffen die Höhe des Entgeltes.
3)
Der von Ihnen angesprochene ERA-Rahmentarifvertrag ist nach meiner Kenntnis nicht allgemeinverbindlich erklärt worden, sodass für Sie der neue Tarifvertrag nicht gilt.
4)
Zwar kann durch Einzelvertrag auch eine von § 622 BGB abweichende Kündigungsfrist vereinbart werden, wenn der Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt. Da jedoch der Tarifvertrag weggefallen ist gilt in Ihrem Fall wohl die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 BGB.
Mit Eintritt in die Gewerkschaft würde auch für Sie der neue Tarifvertrag Geltung finden.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände und Durchsicht des Arbeitsvertrages keinen abschließenden Rat geben kann. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion. Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Michael Kohberger
Nachfrage vom Fragesteller
20.02.2011 | 21:06
Sehr geehrter Herr Kohberger,
ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe:
Der alte Manteltarifvertrag gilt nicht mehr, obwohl im Arbeitsvertrag erwähnt.
Der neue ERA-Manteltarifvertrag gilt auch nicht.
Es gilt damit BGB.
Nach meinem Rechtsverständnis hätte ich jetzt erwartet, dass der neue ERA-MTV gilt, da Nachfolger des alten MTV. Oder es gilt der alte MTV, da im Arbeitsvertrag festgelegt, je nachdem was in der Hierarchie höher anzusetzen ist, Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort auf die Nachfrage vom Anwalt
20.02.2011 | 21:42
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für die Nachfrage, die ich wie folgt beantworte:
Ein Tarifvertrag ist in der Normenhierarchie höher als eine vertragliche Regelung gestellt!
Allerdings ist hierfür Voraussetzung, dass der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Vertragsparteien
(1) tarifvertragsgebunden sind, (Gewerkschaft/Arbeitnehmerverband)
(2) der Tarifvertrag per Bezugnahme aus dem Arbeitsvertrag gilt oder
(3) der Tarifvertrag von staatlicher Stelle für "allgemeinverbindlich" erklärt wurde.
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Dies vorausgeschickt antworte ich auf Ihre Nachfrage weiter wie folgt:
1)
"Der alte Manteltarifvertrag gilt nicht mehr, obwohl er im Arbeitsvertrag erwähnt ist," da er laut Ihren Angaben von einem neuen Tarifvertrag ersetzt wurde.
2)
"Der neue ERA-Manteltarifvertrag gilt nicht," da Sie nicht Mitglied bei der Gewerkschaft sind und er nicht allgemeinverbindlich erklärt wurde.
3)
Sollte in Ihrem Arbeitsvertrag keine dynamische Verweisung auf den neuen Tarifvertrat zu finden sein, so gilt nun die gesetzliche Regelung zu den Kündigungsfristen. Ohne Bezugnahme aus dem Arbeitsvertrag auf den (neuen) Tarifvertrag gilt dieser nicht, da Sie kein Mitglied der Gewerkschaft sind. Ein Tarifvertrag gilt für Nicht - Gewerkschaftsmitglieder nur dann, wenn er von der zuständigen staatlichen Stelle für "allgemeinverbindlich" erklärt wurde oder wenn dies im Arbeitsvertrag so vereinbart wurde.
4)
In Ermangelung einer vertraglichen Regelung muss m.E. die gesetzliche Regelung (§ 622 BGB) greifen. Vertraglich wäre eine Abweichung von den gesetzlichen Kündigungsfristen allenfalls per Tarifvertrag oder per wirksamer vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zulässig (§ 622 Abs. 4 BGB).
Ich hoffe, ich konnte Ihre Rechtsfrage hinreichend und verständlich beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsanwalt