Sehr geehrter Fragesteller/in,
vorweg möchte ich Sie darauf hinweisen, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzten kann, sondern ausschließlich den Zweck hat, eine erste überschlägige Einschätzung Ihres Rechtsproblems auf Grundlage der von Ihnen übermittelten Informationen von einem Rechtsanwalt zu erhalten.
Nun zu Ihrer Frage, welche ich unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworte:
Der Arbeitnehmer ist nur dann verpflichtet Überstunden zu leisten, wenn hierüber eine Vereinbarung besteht. Eine solche Vereinbarung vermag ich aufgrund Ihrer Schilderung nicht zu erkennen. Ferner könnte aber eine Pflicht, Überstunden zu leisten, sich aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben (BAG 3.6.2003 EzA § 77 BetrVG
2001 Nr. 5).
Ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage kann der Arbeitnehmer Überstunden ablehnen, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. In Notsituationen ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflicht aus § 241 Absatz 2 gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, auch über seine normale Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. In derartigen Fällen dürfen auch die Höchstarbeitszeiten des ArbZG überschritten werden (vgl. § 14 Absatz 1 ArbZG
).
Ist der Arbeitnehmer nicht bereit, zulässig angeordnete Überstunden zu leisten, so kann dies nach vorausgegangener Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen.
Auch hier vermag ich aufgrund Ihres dargestellten Sachverhaltes keine Notsituation erkennen. Insoweit wäre die Abmahnung rechtlich zu beanstanden. Sie sollten sich daher gegebenenfalls gegen die Abmahnung zu Wehr setzen.
Bei einer eventuell in Betracht kommenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Anordnung von Überstunden muss der Arbeitgeber die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes beachten. Hier ist insbesondere auf die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten des § 3 ArbZG
und der Ruhezeiten des § 5 ArbZG
hinzuweisen. Diese können jedoch aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung unter engen Voraussetzungen abgewandelt werden.
§ 3 ArbZG
:
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
§ 5 ArbZG
:
(1) Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.
(2) Die Dauer der Ruhezeit des Absatzes 1 kann in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung, in Verkehrsbetrieben, beim Rundfunk sowie in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung um bis zu eine Stunde verkürzt werden, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird.
(3) Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.
Ich hoffe Ihnen weiter geholfen zu haben und stehe Ihnen gerne im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion, zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
André Neumann
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 17.07.2008 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter RA Neumann,
vielen Dank für Ihre sehr schnelle Antwort.
Was wäre in Sachen Überstunden für den AG ein Notfall (hohe Auftragslage ?
Und darf sich der AG allein auf das Direktionsrecht berufen ?
mfg
Sehr geehrter Fragesteller(in),
gerne beantworte ich Ihnen die Nachfrage wie folgt:
zunächst verweise ich auf § 14 ArbZG
:
§ 14 ArbZG
(1) Von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, §§ 7, 9 bis 11 darf abgewichen werden bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, besonders wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu mißlingen drohen.
(2) Von den §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, §§ 7, 11 Abs. 1 bis 3 und § 12 darf ferner abgewichen werden,
1. wenn eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern vorübergehend mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeiten gefährden oder einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würden,
2. bei Forschung und Lehre, bei unaufschiebbaren Vor- und Abschlußarbeiten sowie bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen oder zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen,
wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können.
(3) Wird von den Befugnissen nach Absatz 1 oder 2 Gebrauch gemacht, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.
Danach gibt es keine feste Definition für Notfälle und außergewöhnliche Fälle. Jedoch sind diesbezüglich von der Rechtsprechung Urteile ergangen.
Eine plötzliche Auftragshäufung stellt keinen Notfall dar (OLG Düsseldorf v. 13.4.1992 GewArch 1992, 382). Auch nicht der übliche Ausfall von Arbeitskräften durch Tod oder Krankheit (OLG Karlsruhe GewArch 1981, 268) sowie allgemeine Folgen von Organisationsmängeln oder sonstigen fehlerhaften Entscheidungen des Arbeitgebers (BAG AP Nr. 1 zu § 14 AZO).
Der Arbeitgeber darf sich nicht alleine auf sein Direktionsrecht berufen (BAGE 47, 314
). Ferner hat ein Betriebsrat, soweit vorhanden, über die Anordnung von Überstunden mitzubestimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt André Neumann