Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Fragen möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Frage 1:
Wie errechnet sich der Streitwert für die Anfechtungsklage und macht es Sinn: „eine Streitwertberechnung am wirklichen Willen des Anfechtungsklägers zu ermitteln (OLG Saarbrücken 17.07.2009 5W 109/09)
Antwort:
Grundsätzlich ist es üblich bei unrichtigen Jahresabrechnungen aus Gründen der Rechtssicherheit den gesamten zugrunde liegenden Beschluss anfechten zu lassen. Denkbar wäre es aber auch die Klage nur auf Teile der Abrechnung zu beschränken. Soweit sich Ihre Kritik daher auf rechnerisch selbstständige und abgrenzbare Teile der Abrechnung beschränkt, ist es grundsätzlich möglich, nur diesen Teil, hier also den Heizkostenanteil, für ungültig erklären zu lassen, vgl. LG Frankfurt am Main, Az.: 2-09 S 5/14
. Aufgrund des von Ihnen dargelegten Manipulationsverdachts würde ich jedoch dazu anraten, den gesamten Beschluss anzufechten.
Die Ermittlung des Streitwertes für Beschlussanfechtungsklagen gegen Jahresabrechnungen in der Wohnungseigentümergemeinschaft beruht auf der Vorschrift des § 49 a GKG
.
Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden die, je nach Gerichtsbezirk, jeweils zur Anwendung gelangen.
Nach der sog. "Koblenzer Formel" ist grundsätzlich auf die Belastung des anfechtenden Klägers abzustellen. Hier ist zunächst 20 % des Einzelinteresses zugrunde zu legen. Das Interesse der übrigen Beteiligten wird anhand des Gesamtwertes der Jahresabrechnung bestimmt. Von diesem Gesamtwert wird dann Ihre Kostenbelastung in Abzug gebracht. Der pauschale Ansatz beläuft sich auf 25 %. Hierbei gilt allerdings gemäß § 49 a GKG
nur der hälftige Wertansatz. Das Gesamtinteresse ist dann in das Verhältnis zu dem Einzelinteresse des anfechtenden Wohnungseigentümers zu stellen.
Hiernach dürfte sich bei Anfechtung des Heizkostenanteils nach der Koblenzer Formel folgende Streitwertberechnung ergeben:
Ihr Einzelinteresse:
EUR 1.467,13 x 20 % = EUR 293,42
Gesamtinteresse:
EUR 35.350,00 EUR – EUR 293,42 (Ihr Einzelinteresse) = EUR 35.056,58
EUR 35.056,58 x 25 % = EUR 8.764,14
Das Gesamtinteresse beläuft sich auf EUR 8.764,14. Hiervon ist der hälftige Wert, hier also EUR 4.382,07 zu berücksichtigen. Ihr Einzelinteresse ist nach der Koblenzer Formel sodann in das Verhältnis zum Gesamtinteresse zu setzen.
Ihr Einzelinteresse wurde mit EUR 293,42 berechnet. Hiervon ist gem. § 49 a GKG
der fünffache Wert heranzuziehen. Der fünffache Wert Ihres Einzelinteresses, nämlich EUR 1.467,10, begrenzt das Gesamtinteresse und der Streitwert wäre mithin auf EUR 1.467,10 festzusetzen.
Nach der sog. "Hamburger Formel", welche nach wie vor in vielen Gerichtsbezirken Anwendung findet, wird der Streitwert im Regelfall aus dem Eigeninteresse des Klägers zuzüglich eines Bruchteils des Gesamtinteresses gebildet. Hiernach würde Ihrem Einzelinteresse in Höhe von EUR 293,42 ein Bruchteil des Gesamtwertes der Jahresabrechnung, nämlich 25 %, hinzuaddiert um den Streitwert zu ermitteln.
Dieser Ansatz ergäbe vorliegend einen Streitwert in Höhe von EUR 2.484,45, welcher sich wie folgt errechnet: EUR 293,42 (Ihr Einzelinteresse)+ EUR 2.191,03 (25 % Gesamtinteresse) = EUR 2.484,45.
Beschränkt sich Ihre Anfechtungsklage folglich auf den Heizkostenanteil, dürfte ein Streitwert zwischen EUR 1.467,10 und EUR 2.484,45 zugrunde zu legen sein.
Frage 2:
besteht die alternative Möglichkeit über den Weg der Strafanzeige sich das Geld über den Weg des Schadensersatzes zurückzuholen.
Antwort:
Das von Ihnen geschilderte Verhalten der Mitarbeiter der Abrechnungs- bzw. Ablesefirma könnte durchaus den Tatbestand eines Betrugs erfüllen. Ein Ermittlungsverfahren gegen diese Mitarbeiter durch Anzeigenerstattung einleiten zu lassen dürfte jedoch nicht der zielführendste Weg sein. (Die Firma selbst kann sich nicht strafbar machen, da nur natürliche nicht juristische Personen in Deutschland strafrechtlich belangt werden können (anders z.B. in den Vereinigten Staaten von Amerika))
Zwar bestünde grundsätzlich die Möglichkeit eines sog. Adhäsionsverfahrens indem Sie Ihre zivilrechtlichen Ansprüche unmittelbar im Strafprozess geltend machen können. Der Ausgang und die Dauer eines solchen Strafprozesses kann jedoch nur schwer prognostiziert werden, zumal fraglich ist, ob es überhaupt zu einer Anklage kommt. Bedenken Sie, dass den Mitarbeitern für eine Verurteilung Betrugsvorsatz nachgewiesen werden müsste.
Ich rate Ihnen daher an, etwaige Rückforderungsansprüche aufgrund einer fehlerhaften Abrechnung vor dem Zivilgericht durchzusetzen. Sollte das Gericht den streitigen Abrechnungsbeschluss kassieren, haben Sie Anspruch auf Rückzahlung.
Sollte sich Ihr Betrugsverdacht im Zuge des Verfahrens erhärten, steht es Ihnen freilich frei parallel zum Anfechtungsverfahren, Strafanzeige zu erstatten.
Übrigens, Ihr Recht zur Beschlussanfechtung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Abrechnungsfehler Sie nur mit einem geringen Betrag betrifft (ca. EUR 190,00). Dies gilt insbesondere, wenn, wie vorliegend, generelle Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung bestehen, vgl. OLG München, Az.: 32 Wx 1/11
.
Bei weiteren Fragen oder wenn Sie bei Ihrer Beschlussanfechtung anwaltliche Unterstützung benötigen sollten, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit gern zur Verfügung, da meine auf das Wohnungseigentumsrecht spezialisierte Kanzlei auf bundesweite Mandate ausgerichtet ist. Die von Ihnen entrichtete Beratungsgebühr würde im Falle einer Beauftragung vollständig angerechnet werden.
Ich hoffe ansonsten, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.iur. Mikio A. Frischhut
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 29.08.2016 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Mikio Frischhut
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90451 Nürnberg
Tel: 091138433062
Web: http://www.frischhut-recht.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Mikio Frischhut
29.08.2016 ca. 21:10Uhr
Sehr geehrter Herr Dipl.iur. Mikio A. Frischhut ,
ganz herzlichen Dank für Ihre wirklich ausführliche und hilfreiche Antwort, die den Namen Antwort wirklich verdient.
Ich habe morgen ein Telefonat mit dem für die Wohnung zuständigen AG in München und werde die Frage ("Koblenzer" oder "Hamburger" Formel) erörtern.
Nach dem Prozesskostenrechner der Allianz (Internet) ergibt sich auf Grund der Erhöhungsgebühr ein Kostenrahen von bis zu ca.2300EUR.
Die Anfechtungsfrist läuft in 5 Tagen aus, da ich keine Beschlusssammlung hatte und das Protokoll von der HW erst relativ spät überstellt wurde.
Frage: "Die Anfechtung des gesamten Beschlusses" würde den Streitwert und damit die Kosten erheblich erhöhen. Gibt es Nachteile wenn nur der Teil „Heizkosten" angefochten wird?
Ich gehe zudem von "vorsätzlichen Betrug" aus, da die Ableserin die gesamte "manipulierte" Tabelle für das eine Metronagerät im Erfassungsgerät mitgebracht hatte und „nur" aufgespielt hat.
In Abhängigkeit der Antwort des Gerichtes würde ich auf Ihr freundliches Angebot der Vertretung zurückkommen.
Gehört München zu Ihrem Arbeitsbereich?
Mit dankbarem Gruß
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage beantworte ich Ihnen gern wie folgt:
Ein Nachteil die Anfechtungsklage auf den Heizkostenanteil zu beschränken besteht nur insoweit, dass die Abrechnung, angesichts des von Ihnen dargelegten Manipulationsverdachts, möglicherweise auch an anderen Stellen fehlerhaft sein könnte. Etwaige Fehler an anderer Stelle wären dann nicht streitgegenständlich. Ansonsten besteht kein Nachteil.
Ich vertrete regelmäßig Mandanten aus dem Raum München, so dass ich mich freuen würde Ihre Interessen in der Angelegenheit vertreten zu dürfen.
Ich hoffe Ihre Nachfrage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.iur. Mikio A. Frischhut
Rechtsanwalt