Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ihrer Fragestellung entnehme ich, dass Sie sich auch rechtlich bereits mit der Frage auseinandergesetzt haben. Ihnen dürfte daher bekannt sein, dass es sich stets um Einzelfallentscheidungen handelt und es auf die Umstände dieses Einzelfalles ankommt, so dass eine Fernbeurteilung auf Grund der obigen Sachverhaltsschilderung nur bedingt Anspruch auf endgültige Rechtssicherheit hat.
Ausgangspunkt der Überlegung ist zunächst § 1 Abs.1 BetrVG
, der vorsieht, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten und mindestens drei wählbaren Arbeitnehmern ein Betriebsrat gewählt werden kann. Eine gesetzliche Definition des Betriebs-Begriffs gibt es nicht. Nach absolut herrschender Lehre und Rechtsprechung definiert sich der Betriebsbegriff wie folgt: „die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt" (vgl. Fitting 27. Auflage § 1 BetrVG
Rn. 63 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).
Daraus werden folgende Abgrenzungsmerkmale abgeleitet:
- einheitlicher Rechtsträger
- arbeitstechnischer Zweck
- einheitliche Leitung
- räumliche Einheit
- Dauerhaftigkeit
Dies kann ich naturgemäß mit Ihren Angaben nicht rechtssicher beurteilen.
Aus Ihren Schilderungen lässt sich leider keine eindeutige Antwort ableiten. Insbesondere ist dringend darauf hinzuweisen, dass sämtliche hierzu ergangene Entscheidungen Einzelfallentscheidungen sind und die Rechtsprechung hier teilweise auch diffus ist. Damit wäre im Zweifel im Jahr 2018 eine erneute Prüfung erforderlich.
Hier sehe ich vor allem zwei Punkte als kritisch:
(1) einheitliche Leitung
Es könnte bei den einzelnen Standorten jeweils eine einheitliche Leitung vorliegen. Dabei kommt es jedoch nicht auf die Bezeichnung dieser vermutlichen „Leitungsstelle" an. Es ist maßgeblich, dass dort die „wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers" ausgeübt werden, insbesondere als die Wahrnehmung personeller Angelegenheiten. Entscheidens ist die tatsächliche Ausgestaltung. Starkes Indiz für eine einheitliche Leitung vor Ort ist es, wenn dort Einstellungen und Kündigungen eigenständig – ggf. auch mit Konsulationspflichten – vorgenommen werden können (vgl. Trümner in Däubler/Kittner/Klebe/Wedde BetrVG 14. Auflage § 1 BetrVG
Rn.80)
(2) räumliche Einheit
Fraglich ist weiter die räumliche Einheit. Hierzu kann auf § 4 BetrVG
zurückgegriffen werden. Allerdings besteht auch hier keine gesetzliche Definition, wann ein Betrieb oder Betriebsteil räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt ist. Hier ist abzustellen auf die konkreten Verkehrswege. In der Regel wird eine Grenze bei 40-45 Kilometern gezogen. Dies kann aber aufgrund der Verkehrssituation deutlich nach oben oder unten abweichen. (vgl. Fitting 27. Auflage § 4 BetrVG
Rn. 17 ff mit weiteren Nachweisen). Es spricht allerdings dann viel dafür, dass zumindest teilweise ein einheitlicher Betrieb über mehrere Standorte vorliegt.
Weiter sieht § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG
vor, dass durch Betriebsvereinbarung ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrats oder die Zusammenfassung von Betrieben vereinbart werden kann, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient und kein Tarifvertrag hierüber existiert.
Zuständig für den Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung ist der Gesamtbetriebsrat. Ein Vetorecht einzelner Betriebsräte besteht nicht (vgl. BAG, Beschluss vom 24.04.2013 - 7 ABR 71/11
) Gerne sende ich Ihnen bei Bedarf diesen Beschluss zu, da dieser sich auch eingehend mit der Frage beschäftigt, wann ein unternehmenseinheitlich Betriebsrat die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Diese Frage kann ich hier aus der Ferne leider nicht beurteilen.
Als einzelner Betriebsrat haben Sie natürlich im Jahr 2018 die Möglichkeit die Wahl nach § 19 BetrVG
anzufechten und prüfen zu lassen. Sie könnten jedoch bereits vorher nach § 18 Abs. 2 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Als beteiligter Betriebsrat dürfen Sie insoweit auch Anspruch auf rechtliche Beratung hierzu haben.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Achtung Archiv
Diese Antwort ist vom 17.08.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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17.08.2015
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11:11
Antwort
vonRechtsanwalt Johannes Kromer
Tannenweg 17
72654 Neckartenzlingen
Tel: 07127/349-1208
Web: http://www.rechtsanwalt-kromer.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Johannes Kromer
Rückfrage vom Fragesteller
17.08.2015 | 15:18
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt ...........
Vielen Dank für Ihre ausführliche Mitteilung !
Es würde mich noch Interessieren nach welchem § im BetrVG ich meine Rechtliche Beratung gegenüber der Geschäftsführung / GBR beschließen kann. Zudem wie Inhaltlich der Beschluss lauten sollte . Gerne erfreue ich mich über die Unterlagen " Beschluss " ( Email Adresse geht ihnen zu )
Vielen Dank vorab für Ihre Bemühungen !
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt
17.08.2015 | 15:55
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