Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die Krankenkasse darf die Abfindung und die darin enthaltenden Lohnanteile ( Also auch Überstunden, da sämtliches Entgelt zu berücksichtigen ist) als Grundlage für die Berechnung heranziehen. Der Betrag ist auf 12 Monate aufzuteilen.
Nun zu den Einzelheiten:
a) Die Berechnung richtet sich in erster Linie nach § 5 und § 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze der GKV sowie sowie dem SGB IV und SGB V. Insofern enthält die Begründung ihres Beitragsbescheides,wenn hier das SGB III angeführt wurde, einen Fehler, denn die angeführten §§ beschäftigen sich Ausschließlich mit der Höhe des Arbeistlosengeldes und keinesfalls mit Beitragsbemessungsgrundlagen. Falls dies tatsächlich der Fall ist, würde ich einen Widerspruch einlegen, mit der Begründung dass das SGB III nicht einschlägig ist. Allerdings wird es den Sachbearbeitern nicht schwer fallen die richtigen Normen zu finden, so dass sie hier nur Zeit schinden, der Widerspruch im Errgebnis aber erfolglos bleibt. Freiwillig versichert sind sie nach § 9 SGB V. Die Beiträge sind nach der Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu bemessen ( § 240 SGB V). Gemäß § 226 SGB V i.Vm. § 240 und 223 SGB V gilt das Arbeitsentgelt als Beitragsgrundlage. Auch wenn sie ausgesteuert wurden, gibt es hier keine andere Behandlung, da der § 240 auf den § 223 SGB V verweist.
b) Das Problem für sie ist, dass bei der Beitragsberechnung dass sogenannte Zuflussprinzip gilt. Die Einnahme gilt für den Monat in die sie erhalten wurde Insofern spielt keine Rolle, dass sie über Jahre über das Jobcenter bzw. Die Arbeitsaggentur versichert waren. Bei dem Wechsel in die Freiwillige GKV sind ihre Beiträge anhand der aktuellen Einnahmen ( = ihrer Leistungsfähigkeit, § 240 Abs. I SGB V) zu bestimmen. Aktuelle Einnahmen haben sie nicht, aber sie haben Einnahmen die kausal auf ihr damals bestehendes Arbeistverhältnis zurückzuführen sind. Dies ist die Abfindung inkl. aller Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die ihnen im Mai 2016 zufloß. Gem. § 23 a SGB IV ( insbesondere Absatz 2) zählt diese Einnahme für das Kalenderjahr 2016.
c) Eine Verjährung trat bei ihnen bisher nicht ein. Diese richtet sich nach § 25 SGB IV. Danach verjähren Beitragsansprüche erst 4 Jahre nach ihrer Fälligkeit, bei vorsätzlicher Vorenthaltung ( also z.B. ein Verschweigen der Bemessungsgrundlagen) sogar erst 30 Jahre nach ihrer Fälligkeit. Da bei ihnen die Fälligkeit erst mit Erhalt der Abfindung eintrat, verjähren die Beitragsforderungen nicht vor 2020.
d) Warum wird die Abfindung eingerechnet?
Das wichtigste Kriterium dafür , dass die Krankenkasse von der Abfindung Beiträge erheben darf, ist ob die Abfindung als Entgeltzahlung ( Zahlung wegen der erbrachten Leistungen) oder als Zahlung die kein Entgelt darstellt ( Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes) anzusehen ist. In ihrem Fall erging die Abfindung offensichtlich als Zahlung aufgrund der erbrachten Leistungen ( somit auch die Einrechnung der Überstunden) . Hieran lässt sich im Nachhinein nicht mehr drehen, hier hätte man mit dem Arbeitgeber vor Ausschüttung und Mitteilung über die Deklaration der Abfindung reden müssen.
Grundsätzlich wäre es gut eine Abfindung nie als Vergütung von Leistungen sondern als "Schadenersatz" für den Arbeitsplatzverlust zu deklarieren. Dann wäre die Abfindung kein Entgelt, dass aus dem Arbeitsvertrag resultiert und somit nicht Bemessungsgrundlage. Bemessungsgrundlage wären dann einnahmen, die sie aus aktueller Tätigkeit haben.
Fazit: Insgesamt muss ich ihnen leider mitteilen , dass die Beitragsbemessung der Krankenkasse von ihrer Abfindung ( inkl. der Überstunden) korrekt ist und auch eine Verjährung oder ähnliches aufgrudn des Zeitablaufs nicht in Betracht kommt. Allenfalls über die falsche Begründung des Beitragsbescheides ließe sich hier etwas Zeit schinden. Dies wird ihnen aber im Endeffekt nicht helfen.
Leider haben sie wirklich nur die Möglichkeit die Beiträge zu bezahlen und sich dann rechtzeitig, sobald die Mittel ausgehen, an das Jobcenter zu wenden.
Die einzige Möglichkeit, die ich sehe,um ihre Beiträge eventuell zu reduzieren, ist die Benatragung eines Härtefalls bei ihrer Krankenkasse. Dies ist eine Ermessensentscheidung, die dann relevant wird wenn das AKTUELLE Einkommen für die Beitragszahlung nicht ausreicht, ohne den Beitragszahler zu gefährden. Diesen Antrag erhalten sie kostenfrei von ihrer Kraneknkasse, sie müssen in ihm alle ihre Einnahmen offenlegen, die Berechnung erfolgt relativ anbalog zur Berechnung des ALG II. Da dieser Antrag keine Kosten auslöst, rate ich ihnen es hierüber einmal zu probieren.
Es tut mir wirklich leid, dass ich keine positiveren Nachrichten für sie habe.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Nachfrage vom Fragesteller
13.07.2016 | 07:48
Guten Tag Frau Prochnow,
bitte erklären Sie mir den Punkt d) in Ihrer Aufzählung genauer. Ich bin davon ausgegangen, dass ich eine echte Kündigung und die Abfindung als Entschädigung für den Verlust erhalten habe.
2014 hatte ich meinen Arbeitgeber auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verklagt und verloren. Unbequeme Menschen müssen weg, weshalb der Arbeitgeber sich das nicht bieten ließ und er mir 2015 die Kündigung aussprach. Der IFD wurde informiert und bestätigte die Kündigung. Meine Anwältin sah aufgrund dessen keinen Ansatzpunkt die Kündigungsschutzklage weiter zu verfolgen und riet mir dringend das Angebot der Abfindung anzunehmen.
Im Beschluss des Arbeitsgerichts findet man folgende Texte (stark verkürzt und ohne Nennung von weiteren Daten):
Gemäß § 278 Abs. 6 ZPO wird festgestellt, dass die Parteien einen Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen haben.
1. Einvernehmen über die Kündigung des Arbeitsverhältnis, unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist aus gesundheitlichen Gründen
2. Beklagte zahlt Klägerin eine Abfindung entsprechender Anwendung §§ 9, 10 KSchG brutto und wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Abrechnung für den Monat März 2016 unter Beachtung der steuerrechtlich günstigsten Form zur Auszahlung gebracht
3. Ausstellung des Zeugnisses auf Basis des Zwischenzeugnisses
4. Vorliegender Rechtsstreit ist erledigt.
Vom Arbeitgeber erhielt ich die Abfindung PLUS anteiligem Urlaub und Verrechnung der vor Jahren erarbeiteten Überstunden, obwohl nichts vom Urlaub und Überstunden im Beschluss stand.
Für mich ist die Zahlung der Abfindung eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, da ich jahrelang um einen Arbeitsplatz gekämpft habe. Ich kann dem Gericht schlecht vorschreiben, wie es die Begründung des Beschlusses ausfertigt.
Doch wie sehen Sie das?
Unabhängig davon behauptet ja die KK das heute nicht mehr zwischen echter und unechter Kündigung unterschieden wird und es auch egal ist, ob die Zahlung vor oder nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Dabei beruft sie sich auf die Rechtssprechung des BSG vom 21.02.1990 – 12 RK 65/87 – USK 9016 und vom 25.10.1990 – 12 RK 40/89 - USK 9055.
Vielen Dank.
Antwort auf die Nachfrage vom Anwalt
13.07.2016 | 08:16
Liebe Fragestellerin,
gern beantworte ich ihre Nachfrage.
Bei der Abfindungszahlung selbst ist ausschlaggebend, wie sie deklariert wird.Es ist unegemein wichtig, diese als Geld gegen Arbeistplatz ausdrücklich auszuweisen. Dabei ist es korrekt, dass ( im Bereich der KK, beim ALG kann es anders aussehen) nicht mehr zwischen den Kündigungen unterschieden wird und es auch nicht auf den Auszahlungszeitpunkt ankommt, sondern lediglich auf die "Bezeichnung" der Abfindung. Da in ihrer Abfindung Entgeltansprüche mit eingeflossen sind, bezieht sich die Krankenkasse hier auf eine Indizwirkung, dass die gesamte Zahlung als Leistungsvergütung anzusehen ist. Schlecht ist auch das im Urteil stehende "Einvernehmen". Hier hätte ihre Anwältin darauf achten dürfen, dass die Feststellung eines Vergleichs genügt, das Wort "Einvernehmlich" hat hierin nichts verloren.
Zudem setzt § 9 KSchG voraus, dass das Arbeitsverhältns aus einem anderen Grund, als einer zulässigen Kündigung beendet wird. Auch hier hätte ihre Anwältin auf einen anderen Tenor hinarbeiten müssen, am Besten ohne die Erwähnung des § 9 . Weiterhin sieht § 10 KschG eine Abhängigkeit von Abfindung zur erbrachten Leistung ( Gehaltshöhe und Zugehörigkeit) vor. Auch dies ist in ihrer Situation nicht wirklich glücklich, da damit die Abfindungshöhe natürlich wieder auf ein Entgelt zurückzuführen ist. Es hätte genügt zu formulieren, dass das Arbeitsverhältnis als aufgelöst anzussehen ist und eine Abfindung nach in Höhe von... zu gewähren ist. Insofern hätte ihre Anwältin damals auf Sozialversicherungsfeste Formulierungen achten müssen. Die meisten Abfindungsvereinbarungen, führen dies nicht ausdrücklich und klar benannt auf, insofern geht es vielen Gekündigten wie ihnen. Denn eine eindeutige Regelung ( Vereinbarung) muss die Abfindung immer als "Freikauf" statuieren, um sie als Berechnungsgrundlage für Beiträge zur Krankenkasse zur entziehen.
Leider reicht auch die Tenorierung des Urteils hierfür nicht aus, um der Indizwirkung der Zahlung ( zusammen mit dem Gehalt und in Höhe von X Gehältern) wirklich etwas entgegen zu setzen. Versuchen würde ich es an ihrer Stelle dennoch, mit der Krankenkasse zu reden und die Abfindung für den Arbeitsplatz geltend zu machen. Vielleicht können sie über ihren ehemaligen Arbeitgeber auch nachbessern, in dem er ihnen schriftlich bestätigt, welcher Teil genau nur leistungsbezogen war, also Arbeitsentgelt bildete und welcher Teil der "Preis" für ihren Arbeitsplatz war, ohne dass hierbei Leistungskriterien eine Rolle spielten. Allerdings muss ich gleich darauf hinweisen, dass solche "gemischten" Abfindungen von der Krankenkasse als einheitliche Zahlung angesehen werden können. Dennoch würde ich es an ihrer Stelle probieren und Widerspruch einreichen, um hier keiner Chance verlustig zu gehen.