Sehr geehrter Fragensteller,
ihre Frage kann hier bei frag-einen-anwalt.de im Rahmen einer Erstberatung beantwortet werden. Das heißt, ich kann ihnen einen erste rechtliche Einschätzung zu der Sache geben.
Bitte nehmen Sie meine folgenden Worte, insbesondere wenn ich über etwaigen Sozialleistungsbetrug schreibe, nicht übel. Ich gehe davon aus, dass Sie und Ihre Freundin sich korrekt verhalten haben, muss aber doch auf die Gefahren hinweisen. Bitte verstehen Sie das nicht als Beschuldigung oder Unterstellung! Ich kann nur von Ihren Angaben ausgehen und muss insoweit "auf Nummer Sicher gehen".
Ihre Freundin muss das Jobcenter auf alle Fälle unverzüglich von der Kindergeldnachzahlung in Kenntnis setzen, da sie dazu verpflichtet ist, Änderungen in ihren Einkommensverhältnissen unverzüglich anzuzeigen. Anderenfalls kann sie sich sogar strafbar machen, wenn sie nämlich leistungserhebliche Tagsachen verschweigt. (Sozialleistungsbetrug)
Ich muss in diesem Zusammenhang dringend davon abraten, die Mitteilung herauszuzögern! "Ich wollte vorher einen Anwalt fragen" ist im Zweifel kein Argument für eine Verzögerung, da ihre Freundin vermutlich unterschrieben hat, dass ihr bekannt ist, dass sie alle Änderungen in den finanziellen Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen hat und sich ansonsten ev. strafbar macht. Dies steht auf den Antragsvordurcken und muss unterschrieben werden bei Antragstellung.
Ihre Freundin muss unverzüglich eine Änderungsanzeige ausfüllen und beim Jobcenter einreichen. Möglichst sollte sie diese persönlich abgeben und dabei eine Kopie des Schreibens mitführen, auf der sie sich den Eingang quittieren lässt. Denn oftmals gibt es Probleme damit, dass Jobcenter Schreiben angeblich nicht bekommen haben wollen und dann ist der Zugang schwerlich nachweisbar.
Alternativ kann auch ein unbeteiligter Bote, der selbst das Schreiben gelesen hat, überbringen durch Einwurf in den Briefkasten und dies bei Bedarf später bezeugen.
So ist Ihre Freundin dann auf der sicheren Seite.
Das Kindergeld wird ihrer Freundin nicht etwa nachträglich auf das Alg 2 angerechnet, sondern die Anrechnung erfolgt in dem Monat, in welchem ihr das Geld zugegangen ist (Zuflussprinzip).
Das heißt, die Kindergeldnachzahlung wird angerechnet auf die Leistung des Alg 2 im Monat in dem sie das Geld bekommen hat und somit für ihren Lebensbedarf einsetzen konnte.
Wenn Sie es anderweitig (z.B. zur Rückzahlung von Schulden) eingesetzt hat, interessiert das das Jobcenter nicht.
Die Nachzahlung wird ihr gleichwohl als Einkommen angerechnet. Schulden sollen erst zurückbezahlt werden, wenn der Lebensbedarf gesichert ist. Zivilrechtlich ist das auch sichergestellt durch die Pfändungsschutzregeln. Ihr Freundin wird also so gestellt, als hätte sie die Schuld nicht beglichen und das Geld stünde ihr noch für den Lebensbedarf zur Verfügung!
Wenn die Nachzahlung so hoch ist, dass durch die Anrechnung der gesamte Monatsbedarf des Alg 2 ihrer Freundin entfiele, wenn es angerechnet wird, so wird das Jobcenter die Nachzahlung bei rechtmäßigem Vorgehen auf die nächsten 6 Montate verteilt auf das Alg 2 anrechnen.
Sollte der Monat, in dem Ihre Freundin die Nachzahlung erhalten hat, bereits vergangen sein, und sollte deshalb bereits Alg 2 ohne Anrechnung der Nachzahlung ausbezahlt worden sein für diesen vergangen Monat, so ist mit einer Rücknahme des Alg 2 Bescheids zu rechnen und dann auch mit einem Erstattungsbescheid. Die zu erstattende Summe würde sodann in Raten vom Alg 2 in den nächsten Monaten abzubezahlen sein.
Sollte das Jobcenter so vorgehen, so wäre dies rechtmäßig.
Ein privater Gläubiger kann dagegen nur bis zur Pfändungsgrenze Forderungen durchsetzen.
Übrigens erscheint mir auch problematisch, dass Sie von "ihrer Freundin" sprechen, aber "es abgelehnt" haben, in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen zu werden. Sie müssten, um nicht zur Bedarfsgemeinschaft zu zählen, die Vermutung widerlegt haben, nicht füreinander Verantwortung tragen und einstehen zu wollen. Bei "eheänlicher Gemeinschaft" gelingt das üblicherweise nicht. Hierzu gibt das Jobcenter Fragebögen aus.
Sie machen keine genauen Angaben dazu, ob sie lediglich in Wohngemeinschaft leben und nicht für einander einstehen usw., aber ich möchte Sie doch darauf aufmerksam machen, dass hier Probleme auf Sie zukommen, falls sie in dem Bereich nicht die erforderlichen Angaben korrekt gemacht haben sollten.
Sofern Sie das Geld von ihrer Freundin wie gelschildert bereits erhalten haben,dürfen Sie die Leistung behalten. Ihre Freundin muss dann damit leben, dass es ihr gleichwohl auf den Lebensbedarf angerechnet wird. Eventuell muss sie dann für den Lebensbedarf auf ihr (sofern vorhandenes) Schonvermögen zurückgreifen.
Wenn Sie also für ihre Freundin nicht einstehen wollen behalten Sie das Geld von ihr. Das spricht auch gegen eine Bedarfsgemeinschaft. Ihre Freundin muss dann mit ihrer Entscheidung leben, ihnen das Geld bezahlt zu haben, obwohl sie es benötigt hätte.
Anderenfalls können Sie auch für ihre Freundin einstehen, was aber wohl dazu führen würde, dass sie der Bedarfsgemeinschaft zuzurechnen wären (weil tatsächlich die Einstehensgemeinschaft besteht).
Ich bedauere, Ihnen keine positivere Nachricht geben zu können. Alg 2 dient nun einmal nicht dazu, private Schulden zu begleichen. Wer Menschen etwas leiht, die es nicht zurückbezahlen können, muss mit Zahlungsausfall dann leben, und die Sozialleistungen ändern nichts daran. Wer das Geld für seinen Lebensbedarf für etwas anderes ausgibt muss dann auch damit leben.
Richten Sie ihrer Freundin bitte unbedingt aus, keine falschen Angaben zu machen und alles erforderliche wirklich unverzüglich, das heißt im Zweifel immer SOFORT mitzuzeilen, jedenfalls so schnell wie möglich. Sozialleistungsbetrug ist kein Bagatelldelikt und genauso eine Straftat wie jeder andere Betrug auch.
Sie schreiben: "Da meine Freundin bereits von Dezember 2010 bis Juni 2011 Schüler Bafög erhalten hatte, ihre Ausbildung aber auf Grund unseres Umzugs abbrechen musste, steht nun noch eine Rückzahlung des geleisteten Betrages aus. Hierfür haben wir bereits einen Antrag auf Ratenzahlung gestellt."
Schülerbafög wird normalerweise als Vollzuschuss geleistet und ist daher nicht zurück zu zahlen. Insofern ist von hier aus nicht ersichtlich, warum hier eine Rückzahlung erfolgen soll, außer, wenn das Bafög unrechtmäßig bezogen wurde oder z.B. sich zufällig die letzte Zahlung und die Mitteilung vom Schulabbruch überschnitten haben. Wie es im Fall ihrer Freundin war weiß ich natürlich nicht.
Sie fragen: "Kann es hier zu Problemen führen, in Bezug auf den aktuellen Antrag oder ist Ihr Recht auf Bafög auf Grund der abgebrochenen Ausbildung (und der daraus resultierenden Schuld) in irgendeiner Weise eingeschränkt?"
Grundsätzlich gilt beim Schülerbafög keine Förderungshöchstdauer wie beim Bafüg für ein Studium. Insofern kann auch nach einem Abbruch weiterhin bis zum Schulabschluss grundsätzlich erneut Schülerbafög geleistet werden.
Sie sollte also ruhig erneut Befög beantragen.
Bafög könnte natürlich auch aus anderen Gründen ausgeschlossen sein, die ich auf Grund Ihrer Angaben nicht ersehen kann.
Sollte ihre Freundin deshalb das Schülerbafög zurückbezahlen müssen, weil sie falsche Angaben gemacht hat und sich vielleicht sogar strafbar gemacht hat, kann sie dennoch erneut Befög beantragen. Selbst ein etwaiger Sozialhilfebetrug nimmt ihr nicht die weiteren Ansprüche.
Abschließend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass ihre Freundin, falls sie sich selbst anwaltlicher Hilfe bedienen möchte gegebenenfalls Anspruch auf Beratungshilfe haben könnte (=Rechtsanwaltliche Hilfe auf Staatskosten bis auf 10 € Eigenbeteiligung). Hierzu muss sie sich dann an die Rechtsantragsstelle beim zuständigen Amtsgericht wenden.
Ich hoffe, meine Antwort hilft Ihnen weiter, auch wenn die Rechtslage wohl jedenfalls zum Teil eher enttäuschend ist, und wünsche Ihnen noch einen schönen restlichen Sonntag.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Luisa Milazzo, Rechtsanwältin